Mein Interview mit der Berliner Morgenpost

In Berlin stehen die Zeichen auf Neuwahlen, am 16. November will das Landesverfassungsgericht sein Urteil fällen. Ist das für Sie, für die Berliner CDU eine zweite Chance, nachdem die Wahl im September 2021 nicht so gut für die CDU ausging?

Berliner Morgenpost: In Berlin stehen die Zeichen auf Neuwahlen, am 16. November will das
Landesverfassungsgericht sein Urteil fällen. Ist das für Sie, für die Berliner CDU eine zweite Chance,
nachdem die Wahl im September 2021 nicht so gut für die CDU ausging?

Stefan Evers: Es ist vor allem eine Chance für die Stadt. Wir müssen Vertrauen wiederherstellen.
Jeder, der die Wahl vor einem Jahr in Erinnerung hat, erinnert sich an die langen Schlangen vor den
Wahllokalen, an die fehlenden Stimmzettel, an die chaotischen Zustände. Das hat schon sehr
geschadet – dem Vertrauen in die Integrität von Wahlen, aber auch in das Funktionieren dieser Stadt.
Insofern ist das auf jeden Fall für die Berliner die Chance für einen politischen Neustart, wenn es nun
zu einer Wahlwiederholung kommt. Ob es dann für die CDU eine Chance ist, werden wir sehen. Auf
jeden Fall werden die Karten politisch neu gemischt. So schlecht haben wir ja beim letzten Mal gar
nicht abgeschnitten. Wir haben uns durchaus erfolgreich gegen den Bundestrend gestemmt. Aber da
ist jetzt sicher mehr drin.

Sie hatten fast prophetische Gaben gehabt. Sie sind einer derjenigen aus den Reihen der CDU, die
früh gesagt haben, es wird oder es kann auf eine komplette Wiederholung der Wahlen hinauslaufen.
Woher hatten Sie diese Erkenntnis?

Man musste kein Hellseher sein, man musste nur eins und eins zusammenzählen. Noch mal: Die
Verhältnisse vor einem Jahr stehen uns allen noch vor Augen. Das waren Bilder, die um die Welt
gegangen sind. Der Eindruck auf alle Betroffenen war erschütternd. Das Organisationsversagen hat
sich ja nicht in ein, zwei oder drei Wahlkreisen, sondern flächendeckend in Berlin ereignet. Das war
unerträglich.

Peinlich, oder?

Das war mehr als nur peinlich. Es ist ja eine Sache, dass Berlin nicht in der Lage ist, Flughäfen zu
bauen – eine andere ist, dass Rot-Rot-Grün nicht in der Lage war, eine Wahl zu organisieren. Das ist
doch das Fundament einer Demokratie. Wenn das nicht mehr funktioniert, was denn dann?

Ich erinnere immer wieder an die Worte des Bundeswahlleiters. Der hat vor aller Öffentlichkeit
gefragt: Was muss denn noch passieren, damit eine Wahl wiederholt wird? Er sprach sogar von
einem historischen Berliner Versagen. Das macht die Dimension des Desasters deutlich.

Wir als CDU haben deshalb früh gewarnt, dass eine Wiederholungswahl wahrscheinlich ist. Wir
haben gefordert, dass der Senat sich wenigstens darauf vorbereitet. Eine Wahl organisiert man ja
nicht über Nacht. Da muss die Verwaltung sich früh reinknien. Es müssen tausende Wahlhelfer
gewonnen, Wahllokale gesichert, Millionen Stimmzettel gedruckt werden und das zur Abwechslung
korrekt. Papier ist übrigens knapp, es kommt nicht mehr wie früher über Nacht. Das dauert jetzt alles
wochenlang. Jetzt lese ich, dass der neue Landeswahlleiter schon vor Problemen bei einer
Wiederholungswahl warnt. Das zeigt: Der Senat hätte viel früher mit der Vorbereitung beginnen
müssen. Das Chaos darf sich nicht wiederholen.

Und Sie sind vorbereitet?

Wir haben eine mögliche Neuwahl schon länger auf dem Schirm. Das ist auch gut so.

Der Bundestag hat auch über die Bundestagswahl an jenem Tag in Berlin beraten, und die Ampel-
Regierung hat jetzt den Vorschlag gemacht, dass die Bundestagswahl nur in 300 Wahllokalen von über 2000 wiederholt werden muss. Der Bundestag sieht das also ganz anders als das
Landesverfassungsgericht. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Ich halte die Wahlprüfung auf Bundesebene für sehr unglücklich organisiert. Das Verfahren läuft dort
komplett anders ab als für die Abgeordnetenhaus- und BVV-Wahl. Nicht das Verfassungsgericht,
sondern der Bundestag entscheidet im ersten Schritt mit politischer Mehrheit, ob eine Wahl korrekt
war oder nicht. Ich halte das für einen Konstruktionsfehler. Ich kann doch nicht die gewählten
Politiker fragen, was sie von der Gültigkeit ihrer Wahl halten. Gerade unter dem Gesichtspunkt, dass
möglicherweise Sitze im Parlament verloren gehen. Wie ich neuerdings höre, hat insbesondere die
FDP kein Interesse daran, dass die Bundestagswahl in Berlin flächendeckend wiederholt wird. Da wird
geschachert wie auf einem Basar. Besser wäre es, wenn auch auf Bundesebene – so wie in Berlin –
direkt das Verfassungsgericht entscheidet. Dann verliert man weniger Zeit und kommt schneller zu
Klarheit.

Wenn der Bundestag seine Entscheidung, so wie jetzt bekannt ist, fällt, dann wird es sicherlich Klagen
vor dem Bundesverfassungsgericht geben?

Ich bin sicher, dass Einspruch gegen das Gemauschel der Ampel-Koalition erhoben wird. Dort soll ja
sehr durchschaubar nach politischen Motiven entschieden werden.

Sie müssen sich jetzt auf den Wahlkampf vorbereiten, in vier Monaten wird voraussichtlich schon
gewählt. Vier Monate sind eine sehr kurze Zeit, normalerweise hat man für den Wahlkampf und die
Wahlvorbereitung ein knappes Jahr Zeit. Was passiert jetzt bei Ihnen, was in der Berliner CDU?

Wie gesagt, wir waren auf diesen Fall vorbereitet. Wir warnen doch Senat nicht den Senat vor einer
Wiederholungswahl und legen selbst die Hände in den Schoß. Wir haben uns sehr früh überlegt, wie
wir mit dieser Situation umgehen. Deshalb erschüttert uns ein Wahlkampf jetzt auch nicht. Als
Opposition steht man sowieso immer unter Strom. Man ist immer wach und aufmerksam. Wir
bereiten natürlich alles vor, was zu einem Wahlkampf gehört – Plakate, Online-Kampagnen und
vieles mehr. Aber vor allem sprechen wir seit Monaten immer wieder die Themen an, die uns und
den Berlinern auf den Nägel brennen. Im Parlament, in Interviews, wo immer wir gefragt werden.
Das ist sowieso der Job einer Opposition. Insofern ist Wahlkampf für uns quasi ein Normalzustand.

Machen Sie denn auch ein neues Wahlprogramm?

Ich glaube nicht, dass wir in der kurzen Zeit unseren Berlin-Plan komplett neu auflegen müssen. Die
meisten Probleme der letzten Jahre bestehen nach wie vor. Anderes hat sich verändert.
Insbesondere der Krieg in der Ukraine, die Inflation, die Energiekrise haben die Lage drastisch
verschärft. Das sind Rahmenbedingungen, die wir vor einem Jahr nicht vorhersehen konnten. Darauf
werden wir eingehen. Es wird also auch neue Konzepte und Positionen geben.

Mit welchen Themen wollen Sie denn bei den Wählerinnen und Wählern durchdringen?

Unsere Themen und die Probleme der Stadt haben sich nicht grundlegend verändert – die
Rahmenbedingungen haben sich verschärft. Wir brauchen zum Beispiel dringender denn je bessere
Lösungen in der Wohnungspolitik. Der Wohnungsbau ist eingebrochen. Die Mieten weiter gestiegen.
Die Sorge vor den hohen Energiekosten kommt hinzu. Die Bezahlbarkeit des täglichen Lebens und
des Wohnens wird sicher ein Topthema in diesem Wahlkampf sein.

Es geht bei der nächsten Wahl auch um das Funktionieren dieser Stadt. Seit einem Jahr warten wir
auf eine Einladung von Frau Giffey, auf Gesprächsangebote der Koalition zu einer grundlegenden
Verwaltungsreform. Diese Stadt steht kurz vor der Handlungsunfähigkeit. Vieles von dem, was bei
dieser Wahl nicht funktioniert hat, ist auf die typischen Organisations- und Strukturschwächen
zurückzuführen. Das betrifft alle Politikfelder. Wenn wir nicht an die Wurzel rangehen, an die Berliner
Verwaltungsstruktur, die wirklich einmalig ineffizient und schlecht organisiert ist, dann wird uns das
noch bitter einholen. Wir hatten vor der letzten Wahl parteiübergreifend verabredet,

dass wir nach der Wahl zusammenkommen, um dafür Lösungen zu finden, vielleicht auch die Verfassung zu
ändern. Bis heute ist nichts geschehen. Unser Ziel ist: Die Stadt muss endlich funktionieren.

Wollen Sie die sogenannte zweistufige Verwaltung, also Senat auf der einen, Bezirke auf der anderen
Seite, abschaffen?

Ich persönlich schaue immer gern auf Hamburg. Hamburg hat auch Bezirke, aber eine deutlich
bessere Struktur. Dort ist ganz klar, wofür der Senat und wofür die Bezirke zuständig sind. Da können
wir eine Menge lernen. Nicht alles, was Hamburg macht, wird auch in Berlin funktionieren. Wir
müssen schon einen Berliner Weg finden. Es muss aber auf jeden Fall klare Zuständigkeiten geben.
Ich glaube, wenn wir das ernsthaft anpacken, uns ein Jahr Zeit nehmen, uns an die Verfassung
herantrauen, dann bekommen wir das hin. Es geht um die Fragen: Was sind die Kernaufgaben der
Verwaltung? Was ist wirklich wichtig für die Stadt? Wer muss was erledigen? Wenn wir das nicht
sehr bald klären, wird Berlin scheitern – und das können wir uns nicht leisten.

Das ist interessant. Ich habe über dieses Thema kürzlich mit dem Grünen-Fraktionsvorsitzenden
Werner Graf gesprochen. Sie ähneln sich sehr in der Analyse zur Verwaltungsreform. Ist das schon
ein Zeichen für eine schwarz-grüne oder grün-schwarze Koalition in Berlin?

Das berühmte Gedankenspiel, welche Koalition sich nach einer Wahl ergeben, das können wir uns
sparen. Das wird am Ende das Ergebnis zeigen.

Aber tatsächlich liegen CDU und Grüne in den neusten Umfragen im Moment gleichauf, die SPD nur
auf dem dritten Platz. Grün-Schwarz oder Schwarz-Grün sind eine Möglichkeit, glaubt man den
Umfragen.

Diese Wahl birgt viele Möglichkeiten. Und wir haben gelernt, dass vier Monate vor einer Wahl keiner
Umfrage zu glauben ist. Ich stelle aber in der Tat fest, dass die Grünen gerade dem fundamentalen
Thema einer Struktur- und Verwaltungsreform besser ansprechbar sind als die Sozialdemokraten.
Noch einmal: Frau Giffey hat nichts von dem eingelöst, was sie vor der Wahl versprochen hat.
Vermutlich käme man beim Thema Verwaltungsreform mit den Grünen tatsächlich weiter käme als
mit der SPD. Die SPD regiert ja seit 1989 ununterbrochen in dieser Stadt, das macht wahrscheinlich
betriebsblind. Manche Erneuerung braucht einen neuen Geist.

Nehmen Sie denn einen Stimmungswechsel in der Stadt wahr?

In Berlin eine echte Wechselstimmung zu erreichen, ist sehr schwer. Alle Parteien haben in den
vergangenen Jahrzehnten Vertrauen verloren. Es gibt viel Enttäuschung über die politische
Performance auf allen Seiten. Dieses Vertrauen zurückzugewinnen, bedeutet harte Arbeit. Da reicht
der Hinweis sicher nicht, dass dieser Senat nicht mal eine Wahl organisieren kann und auch vieles
andere nicht auf die Reihe bekommt. Das wäre naiv. Wir hoffen also nicht einfach auf eine
Wechselstimmung, sondern wir arbeiten hart und benennen auch unsere Fehler der Vergangenheit.
Ich glaube, dieser Weg, diese Ehrlichkeit gegenüber den Berlinern, wird am Ende auch belohnt
werden. Wir werden nicht behaupten, dass mit der CDU morgen alles anders wird in dieser Stadt.
Wir können auch nicht zaubern. Aber wir werden vieles besser machen. Wir werden im Wahlkampf
sehr genau benennen, wo das dringend nötig ist.

Bei der Landtagswahl in Niedersachsen am vergangenen Wochenende haben wir gesehen, dass viele
Menschen von der Politik der Bundesregierung oder auch der Landespolitik enttäuscht sind, dass
viele Menschen derzeit auch als Protest AfD wählen. Wie schätzen Sie das für Berlin ein? Wie groß ist
die Gefahr, dass die AfD deutlich stärker wird und auch der CDU, Stimmen wegnimmt?

Ich sehe das Risiko auch für Berlin. Ganz klar. Die AfD hat sich als Protestpartei etabliert, obwohl sie
ja gar keine Lösungskompetenz besitzt. Die wird ihr auch gar nicht unterstellt. Niemand glaubt, dass
die AfD Probleme lösen kann. Viele Wähler wollen aber zeigen, dass sie mit den bestehenden
Zuständen unzufrieden sind. Das Schlimme dabei ist: Diese Art der Protestwahl führt nie zu einer
Veränderung der Zustände. In aller Regel stärkt es genau diejenigen, die man nicht gestärkt sehen
möchte. In diesen Zeiten, in denen die AfD in Deutschland quasi als verlängerter Arm von Putin
agiert, finde ich jede Stimme doppelt schmerzhaft. Wir müssen uns also alle anstrengen, verlorenes
Vertrauen zurückzugewinnen. Das ist unser Anspruch bei der nächsten Wahl. Das bedeutet harte
Arbeit, Bürgernähe, aber auch Ehrlichkeit und Demut. Die vermisse ich ehrlicherweise bei vielen
politischen Akteuren, diese Demut.

Welche Vorschläge wollen Sie als CDU den Menschen bei der Energiekrise machen? Was wollen Sie
anbieten?

Wir haben sehr früh gesagt, dass es nichts bringt, jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf zu treiben.
Was haben wir jetzt schon alles erlebt: 9-Euro-Ticket, Energiepauschale, Wohngeld,
Heizkostenzuschüsse, Tankrabatt, Gasumlage oder jetzt eine komplizierte Gas- und
Strompreisbremse. Da verliert doch jeder den Überblick. Überhaupt ist ein Problem der
Regierungspolitik in Berlin und im Bund die miserable Krisenkommunikation. Es fehlt erkennbar am
roten Faden. Sicherlich sind die Probleme komplex, aber man hätte sich von Anfang an auf die
Energiepreise konzentrieren sollen. Wir als CDU, gerade in Berlin, haben schon vor Monaten gesagt,
dass wir einen Energiepreis-Deckel brauchen. Der Energiemarkt ist aktuell außer Funktion. Darum
unser Konzept: Wir wollen die Energiepreise für den Grundverbrauch deckeln – für alle Energieträger.
Das mag sozial ungerecht erscheinen, weil es nicht die Einkommenshöhe der Verbraucher
berücksichtigt. Wir müssen aber ganz schnell handeln und dürfen uns nicht in Bürokratiefluten
verlieren. Darum brauchen wir so eine Lösung.

Was halten Sie von dem Entlastungpaket mit einem Volumen von bis zu 1,5 Milliarden Euro, das der
rot-grün-rote Senat jetzt beschließen will?

Ich höre bisher nur solche Summen, aber noch nichts von konkreten Maßnahmen. Das ist kein
Entlastungspaket, das ist eine Wundertüte. Wir wissen nicht, für wen die Gelder bestimmt sind, unter
welchen Voraussetzungen die Hilfe gewährt wird, wie die Verfahren dafür aussehen sollen. Wir
wünschen uns schnell wirksame Hilfen und kein bürokratisches Monster. Unser Nachbarland
Brandenburg will ein Zwei-Milliarden-Programm auflegen für halb so viele Einwohner. Man fragt sich
also auch, welche größeren Herausforderungen es in Brandenburg gibt. In Berlin sind beispielsweise
Branchen wie die Tourismusindustrie, Gastronomie, Hotellerie sehr stark von den hohen
Energiepreisen betroffen. Krankenhäuser und Ärzte schlagen Alarm. Auch den Kultursektor, viele
Vereine werden wir unterstützen müssen. Die vielen Geringverdiener in Berlin sind eine besondere
Herausforderung. Auf all das werden wir reagieren müssen.

Unabhängig von der Energiekrise beschäftigt die Berliner und Menschen, die in die Stadt kommen
wollen, die Wohnungsnot. Der Senat verfehlt nach einem Jahr Regierungszeit beim
Wohnungsneubau alle seine Ziele. Wie erklären Sie sich das? Was muss passieren?

Ich wundere mich auch. Das war Topthema schon im letzten Wahlkampf. Frau Giffey hat einen
Neustart versprochen, hat gesagt, mit ihre werde der Wohnungsbau Chefinnensache. Und am Ende
des Tages findet jetzt fast nichts mehr statt. Wir haben in diesem Jahr nicht einen Antrag auf die
Förderung von sozialem Wohnungsbau. Das ist eine dramatische Nachricht für die Stadt. Die
Rahmenbedingungen haben sich im Verlauf dieses Jahres weiter verschlechtert durch die
Energiepreise, den Fachkräftemangel, die Lieferketten-Probleme. Auf der anderen Seite haben haben
wir eine weiter wachsende Stadt. Die Menschen drängen wieder nach Berlin. Die ukrainischen
Flüchtlinge, viele andere Menschen, die nach Berlin kommen, haben die Marktlage noch einmal verschärft.

Insofern wäre es nötig gewesen, viel mehr Tempo beim Wohnungsbau zu machen. Dazu
gehört, dass man Regularien vereinfacht, die Bauordnung endlich anfasst, dass man auch mal dazu
bereit ist, über ganz neue Flächen, auch über den Rand des Tempelhofer Feldes neu zu debattieren.
Doch all das ist nicht passiert. Vor allem die Linken stehen auf der Bremse. Und alle, die gehofft
hatten, dass Frau Giffey nach der Wahl auch das politische Bündnis wechselt und die Bremser
rausschmeißt, wurden bitter enttäuscht. Frau Giffey ist eine Königin ohne Land. In der SPD hat sie
keine Rückhalt für einen politischen Neuanfang bekommen. Darunter leiden wir gerade in der
Wohnungspolitik mehr denn je.

Franziska Giffey hat aber ein Bündnis für mehr Wohnungsneubau und für bezahlbare Mieten
gegründet. War das nicht die richtige Idee?

Absolut. Das haben ja auch wir gefordert. Seit Jahren sagen wir, dass das Gegeneinander in der
Wohnungspolitik nicht zu Lösungen führt. Dummerweise sind wichtige Bündnispartner schon von der
Fahne gegangen oder gar nicht erst beigetreten. Der Berliner Mieterverein ist nicht an Bord. Es ist
nicht gut für die Sache, dass er sich politisch vereinnahmen und von den Linken und der
Enteignungslobby treiben lässt. Immerhin: Das Bündnis ist ein erster kleiner Schritt. Man setzt sich an
einen Tisch setzt redet wieder miteinander. Aber es muss ein ganz andere Gangart eingelegt werden.

Wird Enteignung von Wohnungsunternehmen noch mal Thema in diesem Wahlkampf?

Ich glaube, die Menschen haben inzwischen gemerkt, wo die großen Probleme liegen und dass sie
nicht durch Enteignungen lösbar ist. Der Weg ist ja schon rechtlich versperrt. Enteignungen wären
nach unserer festen Auffassung verfassungswidrig. Selbst wenn sie möglich wären, würden sie
Milliarden kosten, ohne dass auch nur eine neue Wohnung entstünde. Deswegen sagen wir als CDU
auch ganz klar: Enteignungen sind mit uns nicht machbar. Wir müssen die Wohnungskrise lösen, das
ist unsere Aufgabe. An diesem Wochenende beraten wir auf einer Klausurtagung auch über neue
Wege beim Mieterschutz. Der Volksentscheid ist also nicht ohne Erfolg.

Sie treten bei den wahrscheinlichen Neuwahlen mit den gleichen Kandidaten an, denn das müssen
Sie, es ist ja eine Wahlwiederholung, keine Neuwahl. Kai Wegner ist also auch wieder Ihr
Spitzenkandidat. Ist er der richtige Mann?

Das hat Kai Wegner schon beim letzten Mal gezeigt. Wir haben im September 2021 andernorts
gesehen, wie drastisch die CDU eingebrochen ist – nicht so in Berlin. Wir haben uns erfolgreich gegen
den Trend gestemmt, das war nicht der schlechteste Job. Seit einem Jahr erleben wir Kai Wegner
jetzt als Oppositionsführer im Parlament. Woche für Woche, Monat für Monat treiben wir die
Koalition mit Vorschlägen, bestimmen die Tagesordnung des Parlaments. Die Koalition findet dort ja
gar nicht mehr statt. Wenn wir als CDU diesen Weg so weitergehen, dann gelingt auch das, was ich
am Anfang beschrieben habe: Dann werden wir Vertrauen zurückgewinnen. Das ist das Ergebnis
harter Arbeit. Und wenn Kai Wegner für eins steht, dann für Fleiß und harte Arbeit.

Und kann Kai Wegner Regierender Bürgermeister?

Ja, selbstverständlich.

Wenn ich meine Gespräche in den letzten Tagen rekapituliere, dann wird immer über Franziska
Giffey oder Bettina Jarasch von den Grünen als Regierende Bürgermeisterin gesprochen. Von Kai
Wegner ist da nie die Rede.

Da werden sich alle noch wundern.